Kolumbien '08

4. Februar 2008 bis 29. Februar 2008

Meine Reiseroute in Rot

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Einleitung

Entgegen meiner bisherigen Gewohnheit meine Reiseerlebnisse nach der Rückkehr in einer Zusammenfassung zu veröffentlichen lasse die Worte in ihrer in ihrer direkten, manchmal ungeschliffenen, aus der Situation enstandenen ursprünglichen Form stehen. Damit erhoffe ich mir zwei Dinge. Zum Einen sind meine Zeilen so authentischer, zum Anderen ist es auch für mich interessant meine Worte irgendwann später erneut zu lesen und möglicherweise ganz anders zu beurteilen.

Villa la Leyva, 6. Februar

Der pitoreske Ort auf 2100 Meter Höhe rund 100Km nördlich von Bogota hat mir eine ruhige Nacht beschert. Die Dueña der Posada de los Angeles ist sehr fromm und das gegenüber liegende Kloster übt sicher auch einen positiven Einfluss auf die ruhige Stimmung im Ort aus. Es gibt in diesen Dorf kein Gebäude welches an einen Baustil nach dem 17. Jahrhundert erinnert. Glücklicherweise weile ich zu Beginn der Woche hier, am Wochenende soll einiges mehr los sein. Die Plaza Mayor scheint mit einer Kantenlänge von gut 150 Metern etwas überdimensioniert für die niederen Häuser.
Wie vorgenommen bin ich heute Morgen nach neun Uhr mit einem Fahrrad losgezogen. Nur hatte die Tussi bei welcher ich gestern nachgefragt habe nicht erzählt, dass heute geschlossen sei. Ein Zweiradschrauber in einer Seitengasse hat mir auf Anfrage kurzerhand ein Velo zusammengeschustert. Sogar zum halben Preis des Turiladens. Nach einem Kilometer Fahrt besuche ich " El Fossil ", so heisst das Museum, welches um ein beim Pflügen gefundenes Kronosaurierskelett gebaut wurde. Scheinbar haben sie hier keine Amituristen, die würden mit ihren dicken Hintern nicht durchs enge Drehkreuz passen. Das ohne Schwanz sieben Meter lange Skelett ist mit seinen Reisszähnen eindrücklich, zumal nur drei Exemplare davon gefunden wurden. Das Zugemüse aus Ammoniten an den Wänden kenne ich von zu Hause.
Weiter der Strasse entlang zum Kultort der Muisca Indianer. Weiter und weiter in die Pedale getreten... Die Strasse steigt an und noch immer ist kein Schild in Sicht. Doch da kommt eines, aber darauf steht; Santa Sofia 3Km. Irgendwie bin ich schon einige Kilometer zu weit gradelt. Also weiter den Berg hinauf, um immerhin Wasser in Sta. Sofia zu kaufen. Den mitgenommenen halben Liter habe ich schon verbraucht. Auf der Plaza esse ich noch einige Kekse dazu.
Gesättigt geniesse ich die Fahrt hinunter und frage alle möglichen Leute nach dem Höllchen genannten Platz. Mit diesem Namen wollten die Spanier die Ureinwohner vom Besuch der Kultstätte abhalten. Der Letzte den ich frage meint, ich solle nicht vergessen Satan für ihn zu grüssen. Tatsächlich sehe ich kurz danach die Abzweigung, und biege auf die Naturpiste ein. Idealerweise ist es jetzt halb eins, und mein Ziel soll nicht wieder vor 14 Uhr geöfnete sein. Der Angestellte welcher Tickets verkauft sieht das aber nicht so eng und lässt mich rein. Beim Anblick der bis über zwei Meter grossen Steinphallen die im leicht geneigten Gelände stehen steigt mein mänliches Ego ungemein.
Effektiv wurde hier mit Hilfe einer anderen Steinformation der Wechsel der Jahreszeiten vorausgesagt und die Phallen sind einfach Fruchtbarkeitssymbole für die damit bestimmten Agrarzeiten. Damit mich schlussendlich nicht nur die Beine sondern auch mein Hintern schmerzt, fahre ich weiter querfeldein zurück ins Dorf. Der Mechaniker fragt bei der Rückgabe interessiert nach meinen Erlebnissen und ist zufrieden, dass das Fahrrad gehalten hat. Ich bins auch.

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San Gil, 7. Februar

Von Villa la Leiva über einen Pass von ca.3000 Meter nach Arcabuco geholpert, per Microbus bis Barbosa, nach dem "wir fahren in zehn Minuten ab" in Barbosa eine Dreiviertelstunde später losgerollt. Eigentlich liessen sich die Kilometer leicht abspuhlen, aber die alle paar Kilometer abgerutschte Strasse verhindert dies meist. Den Tafelbeschriftungen nach liegt das an den Naturgewalten. Meiner Meinung nach eher an der fehlenden Baukunst, Bauwerksfundation schein hier Glückssache zu sein.
Zur kurzweiligen Fahrt verhilft zudem meinem akkustischen Empfinden nach eine mexikanische Filmnovela. Da ich vorne sitze, werde ich zwar gut beschallt, aber der Monitor im Toyota befindet sich hinter meinem Kopf. Bei den obligaten Liebeserklährungen per Herz-Schmerz-Schnulze dreht der Fahrer auch noch jedes Mal die Lautstärke auf! Auf den letzten Kilometern die ich alleine im Auto bin bestätigt der Fahrer meinen Verdacht dass es sich um mexikanische Filmkunst handelt und stellt mir zuliebe den Player ab."Die Leute lieben das" meint er lapidar zu seiner Meinung gefragt.
Ich bin ja schon einige Pässe gefahren, aber was hier an Bergen rumliegt ist unglaublich. Tja Ivan, hier sind die Dimensionen doch anders als in Spanien :-) Wäre die Lage sicherer, das wäre was für dich. Und die Aussicht darauf ist nicht die einzig schöne...
Nunmehr auf 1110 Metern Höhe in San Gil angelangt herrschen gegen 25 Grad. Zwar wurde es tausend Meter höher tagsüber auch angenehm warm, aber dafür Nachts gegen fünf grad kalt. Ich freü mich schon in zirka zwei Tagen in die Karibik zu hüpfen!

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Santa Marta, 9. Februar

Der gestrige Tag lässt sich einfach zusammenfassen. Busfahren endlos. Wie üblich stehe ich nach fünf Uhr auf, der Rhytmus von zu Hause und der toten Hose in den Bergdörfern bring das mit sich. Was mich aber nicht stört.
Eigentlich plane ich weitere kurze Etappen zurückzulegen, und erst mal bis Bucaramanga zu gelangen. Dort nach 3 Stunden angekommen, frage ich nach der Möglichkeit eines Fluges nach Santa Marta. Die gibt es über Bogota. Toll, von da komme ich her. Also doch mit dem Bus weitergefahren. Beim nächsten der sich anbietet muss ich aber in Cienaga 25 Kilometer vor Sta. Marta aussteigen weil er Richtung Baranquilla abzweigt. Wenn es mir zu dumm wird, kann ich ja immer noch früher aussteigen und irgendwo eine Nacht bleiben.
Das einzig interessante an der Fahrt ist der Wechsel von den Bergen ins Flachland des Nordens und wieviel an Essen die Leute bei den zwei Pausen in sich reinstopfen können. Eigentlich will ich Busfahren bei Dunkelheit vermeiden, aber der Durchhaltewille ist stärker. So rasen wir im stockfinsteren "Sarg" weiter Richtung Meer. Um 9 Uhr Abends könnte ich endlich in den Bus nach Sta. Marta umsteigen. Wäre der nicht schon voll. Leicht übermüdet frage ich einen Taxifahrer nach dem Preis. 5 Franken soll die Fahrt kosten. Also los. Meine Müdigkeit verfliegt im Nu durch den schlagartig angestiegenen Adrenalinspiegel ausgelöst durch die Fahrweise des Chauffeurs. Unter hundert Stundenkilometer geht nichts, von den überholmanövern ganz zu schweigen.
Das heruntergekommene Zentrum des Ortes macht den Eindruck einer Geisterstadt. Ein starker, warmer Wind pfeift durch die leicht verfallenen Gassen und nur hie und da ergeben sich einige Leute überschwänglich dem Alkohol. Die ausgewählte Unterkunft ist aber ruhig und gepflegt und ich freue mich auf eine angenehme Nacht.
Trotz der ungewohnten Hitze schlafe ich gut. Die vierzehn Stunden Busfahrt haben müde gemacht. Bevor ich in ein gediegeneres Ambiente nach Taganga fahre, widme ich mich noch der Pflege des Körpers und meiner Homepage. Beim Anziehen der kurzen Hosen finde ich noch ein "Pimpistein", eine Glasperle mit der Kyra spielt fällt aus dem Reisegepäck. Wenn das kein gutes Ohmen ist...

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Santa Marta, 11. Februar

Eigentlich wollte ich ja in Taganga einige Nächte verbringen. Glücklicherweise habe ich aber am selben Abend noch die Lage ausgekunschaftet. Stereohören in Vollendung! Die Restaurants am Strand beschallen einander, als würde ein Kampf damit ausgetragen. Ich lasse das Ganze dann zwei Stunden über mich ergehen um wenigstens den Sonnenuntergang verfolgen, und einen Fisch essen zu können. Nichts wie weg aus dieser Stranddisco.

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Ein französisches Paar rät mit doch eher etwas Zeit im Tairona Nationalpark zu verbringen. Gute Idee, da es sich mit einem Marsch über die Berge verbinden lässt. Nachdem ich das nötigste in meinen Tagesrucksack gepackt habe, geht es los. Eine Stunde später entlässt mich der Bus nahe des Parkeingangs in den geruchschwangeren Wald. Das Prozedere mit der Registrierung am Eingang dauert. Als dann noch einer der Angestellten mit einer Reservierung von eben erst mit Privatwagen angekommener Leute vordrängt, muss ich höflich fragen, ob DIE mehr wert sind weil nicht zu Fuss unterwegs. Die Alte hinter mir in der Schlange keift gleich von mir initiiert los, womit mein Gerechtigkeitsdurst gestillt ist. Nach einer Stunde Fussmarsch erreiche ich den ersten Strand. Alle nötigen Einrichtungen sind vorhanden, aber das Meer hier eignet sich weniger zum Schwimmen. Schon über 200 Leute sollen hier ertrunken sein, warnt eine Tafel.
Eine dreiviertel Stunde weiter liegen zwei Buchten beieinander und es lässt sich besser Baden. Hier enden die meisten "Individualturisten" wie ich, aber auch einige Einheimische geniessen den unverbauten Strand. übernachten kann man in Hängematten oder Zelten. Im Vergleich zum Hotelzimmer für 25 Franken in Santa Marta ist die Zeltmiete mit! Liegematte für fünfzehn Franken ja ein Schnäppchen! Generell haben die Preise an der Karibikküste sich in zwei Jahren fast verdoppelt und hier zahlt man halt noch eine gewisse Exklusivität der Einsamkeit. Trotz meiner Befürchtung einer lauten Nacht herrscht eine Love and Peacestimmung und vor Mitternacht sind die letzten Gitarren verstummt.

Wie ich gelesen habe soll mein gewählter Reckweg über die Ruinen von El Pueblito nach Calabazo rund fünf Stunden dauern, also breche ich um acht Uhr mit einer Flasche Wasser bewaffnet auf. Schon ein kurzes Stück nach dem Verlassen des Strandes steigt der Weg einem Bachlauf folgen steil an. Zum grossen Teil benutzt man die noch gut erhaltenen tausendjährigen Stufen des Volks der Tairona. Die Tairona wurden von den Europärn im fünzehnten Jahrhundert tief in die Sierra zurückgedrängt. Heute leben noch zirka achtzehntausend in verschiedenen Stämmen im Reservat in den Bergen.
Früher muss der Weg einmal ein mit Leichtigkeit zu bewältigender Anstieg gewesen sein. Fehlende Passagen und die feuchte Hitze schon am Morgen strengen an. Vielleicht gehe ich auch zu schnell. In der Hälfte der angegebenen zwei Stunden stehe ich in El Pueblito auf rund dreihundert Metern Höhe. Beim einsamen Erklimmen der Höhe über die antiken Pfade durch den Dschungel hat sich eine befriedigende Ruhe eingestellt. Nach dem Auf und Ab verweile ich ein wenig in dem von freigelegten runden Steinsockeln eingerahmten Talsenke. Ein wirklich schöner Platz. Auch wenn ich auf meinen Reisen viele imposante und grosse Dinge gesehen habe, überkommt mich noch heute beim Anblick auch einfacher Zeugnisse der Menschengeschichte eine göttliche Ehrfurcht. Auf mehreren der alten Sockeln stehen Rundbauten aus Holz wie ehedem. Sie sind von einer einzelnen Eingeborenenfamilie die den ihnen heiligen Platz hütet und auch Gäste bewirtet. Endlich kann ich meine seit langem mittgeschleppte leere Flasche entsorgen.
Meine Annahme der dreistündige Pfad nach Calabazo verlaufe einfach ist falsch. Immer wieder hinauf und hinab, entlang Kreten und durch Bäche. Erst nach eineinhalb Stunden erblicke ich das Tal, in welchem den Bus nach Santa Marta besteigen kann. Da ich genügend Zeitreserve habe kann ich nicht wiederstehen dem fast aussichtlosen Versuch Schmetterlinge zu fotografieren nachzugeben. Drei der nervösen Flattermänner haben tatsächlich die Güte kurz auf Blättern abzusitzen und mir eine Foto zu ermöglichen.
Obwohl meine Waden nicht schlecht trainiert sind, sehnen sie das baldige Ende des ausgewaschenen Pfades bergab herbei. Wasser konnte ich auch keines mehr kaufen, da unterwegs nichts zu finden war. Als ich vor Mittag endlich an der Strasse ankomme findet sich zum Glück eine Tienda wo ich mich stärken kann. Kurz später hüpfe ich in den Bus heimwärts und kaufe an der Haltestelle in Sta. Marta Mango und Papaya als Nachtessen.

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Cartagena de las Indias, 13. Februar

Nach einem faulen Tag gestern, an dem ich viel mit einem Finnen auf englisch geplaudert habe, bin ich heute weiter entlang der Karibikküste gefahren. Ungefähr hundert Kilometer westlich liegt eine der ersten auf südamerikanischen Boden gegründeten Städte, Cartagena. Die kurze vierstündige Reise im hochklimatisierten Kleinbus ist bei gewohnter Aussentemperatur von über dreissig Grad kalt. In der monströsen Hafenstadt Baranquilla legen wir einen Zwischenstop ein.
Beim Aussteigen in Cartagena schlägt einem wieder die gewohnte tropische Hitze entgegen. Trotzdem schleppe ich mein Gepäck die kurze Distanz zur Unterkunft. Ein äusserst simples Zimmer für zehn Franken soll mich durch die Nacht bringen, mal sehen, immerhin ist es kein Stundenhotel. Der Altstadtbezirk ist mit seinen antiken Festungsmauern hübsch anzuschauen, was aber links und rechts der Küste gebaut wird spottet sogar den Bauten an der spanischen Costa Brava. Wie ich merke lassen sich die wichtigsten Dinge in zwei Tagen sehen, so kaufe ich beim Schlendern durch die Altstadt noch ein Flugticket für morgen Nacht nach Cali im Süden des Landes. Mehr gibt es nicht zu berichten, jetzt brauche ich erst einen kolumbianischen Hochlandkaffee!

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Cartagena de Indias, 14. Februar

Ist eine gute Wahl, diese Unterkunft in der Caille de la Media Luna. Alles Backpacker welche hier logieren. Lange plaudere ich mit Rudi aus Belgien und einem Deutschen. Beide sind fünfzig Jahre alt. Vor allem Rudi ist unglaublich, er war schon in über hunderfünfzig Ländern auf Reisen. Dank seiner Beamtenstelle kann er beinahe Ferien machen so oft und so lange er will! Nach einigen Bieren und unzähligen Geschichten, lege ich mich erst spät ins Bett.
Heute gibts vor dem Flug in die Berge noch Diverses zu erledigen. Endlich zu Hause anrufen, Postkarten für die computerlosen Angehörigen schreiben und noch einige Dinge anschauen. Zwei Museen und eineFestung stehen auf dem Programm. Ebenso will ich noch die Bilder die ich bisher geschossen habe sichern. Um bei meiner mitternächtlichen Ankunft in Cali nicht lange ein Hotel suchen zu müssen reserviere ich noch Zimmer in einem von Schweizern geführten Hotel. Die Stadt soll nach Einbruch der Dunkelheit nicht sehr sicher sein.
Bis anhin habe ich noch niemanden getroffen der mir Auskunft über die aktüll Sicherheitslage im Süden geben kann. Ich hoffe das wird spätestens in Popayan der Fall sein.

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Santiago de Cali, 15. Februar

Der Flug nach Cali am gestrigen Abend verläuft planmässig und ruhig. Im Gegensatz zu den Leuten, die ich noch vor meiner Abreise treffe. Sie waren wegen scheinbarer Anwesenheit der FARC-Rebellen an der Panamericana gezwungen mitten in der Nacht fünf Stunden zu warten. Anstelle von mindestens dreissig Stunden im Bus zu versauern, daürt der Flug eineinviertelstunden. Das Glück ist mir hold, nach der Gepäckausgabe schnappe ich mir das letzte wartende Taxi. Der Fahrer ist gesprächig und so verläuft die Fahrt durch die beinahe menschenleeren Strassen schnell und kurzweilig. Am Eingang des am Hang stehenden und wie eine steinerne Trutzburg wirkenden kleinen Hotels prangt zu meiner Überraschung ein grosses Schweizerkreuz. Der Wachmann führt mich zum Zimmer. Welch Luxus gegenüber den letzten Räumen, kostet aber auch fünfzig Franken die Nacht. Bei geöffneten Fenstern sehe ich unter Grillengezirpe nach langer Zeit wieder einmal fern.
Nach einem ausgiebigen Frühstück schlendere ich zur Innenstadt um noch einige Besorgungen zu machen. Ich bin erstaunt über die relative Sauberkeit, aber trotzdem ist es der Lärm, die Unordnung und der überbordende Verkehr der mich meist nach einigen Tagen wieder aus den Städten treibt. Obwohl mir das Chaos vertraut und teilweise sogar sympathisch erscheint, ertrage ich es nicht allzulange. Vielleicht liegt das auch an den in der Schweiz herrschenden gewohnten Ordnung.
Nachmittags werde ich am Busbahnhof die Möglichkeiten der Weiterfahrt nach Popayan auskundschaften. Ansonsten will ich noch das schöne Hotel geniessen. Wer weiss, wann sich dazu die nächste Möglichkeit bietet.

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Popayan, 16. Februar

Auch wenn man es manchmal nicht erwartet, kann es ein interessanter Tag werden. Bei genauerem Ansehen des Schweizerkreuzes am Hotel in Cali lese ich noch, dass es sich um das Konsulat handelt. Der Besitzer und Ehrenkonsul heisst Heinrich Frei und ist der Sohn des ehemaligen Nestledirektors in Peru. Nachdem ihm die Reception mitgeteilt hat, dass hier ein Namensvetter logiert, spricht er mich unvermittelt an. Vielleicht sind wir sogar verwandt. Unsere Familien kommen beide aus dem Säuliamt. Mein Heimatort ist Hedingen und er stammt aus Ottenbach. Diese Tatsache freut ihn so ungemein, er muss sie gleich allen weitererzählt die es auch interessieren könnte. Mir fällt auf das hier einige Familien logieren welche Kinder haben die dunklerer Hautfarbe als sie selbst sind. Wie ich im Gespräch mit Norwegern erfahre handelt es sich bei diesem Hotel um eine Art Pflichtunterkunft für Paare die Kinder in Kolumbien adoptieren wollen. Sie verweilen ungefähr einen Monat hier bis die Formalitäten erledigt sind. Trotz der Tasache das es sich beim Hotel um ein schweizer Konsulat handelt, kann ich gegen Barzahlung die zehn Prozent Mehrwertsteuer, und das Hotel wohl die Deklaration beim Steueramt sparen.

Irgendwie klappt das zügige Weiterkommen hier immer. Auch wenn der Taxifahrer auf dem Weg zum Busbahnhof meint es fahren nur alle Stunden Busse nach Popayan. Zehn Minuten später fahren wir los. Es ist zwar Samstag, aber irgendwie staut sich der Verkehr immer und so dauert das Verlassen der Stadt fast eine Stunde. Im Gegensatz zu den hundert Kilometern welche wir in zwei Stunden hinter uns b ringen. Für Kurzweil während der Fahrt ist gesorgt. Beim Passieren des Stadtrandes steigt noch eine leicht pferdegesichtige junge Frau zu und setzt sich mit ihrem muffelden Pudel neben mich. Schon beinahe aufdringlich stellt sie sich mir vor und will allerhand wissen. Nachdem ich ihr sage das ich Europäer bin steigt das Interesse noch einmal merklich. Ob ich gläubig sei und Familie habe will sie wissen, und so weiter. Ungefragt schreibt sie mir ihre Adresse und Telefonnummer auf. Leider kann ich ihr meine Emailadresse nicht geben da irgendwie mein Provider Bankrott gemacht hat. Ein Telefon besitze ich unglücklicherweise auch nicht. Meine schweizer Adresse stellt sie aber zufrieden. Ich nehme die Zwangsunterhaltung geduldig als Sprachkurs hin.
Ein Militärposten unterbricht unsere Fahrt und netterweise auch die Konversation. Alle müssen ihr Gepäck nach Waffen und Drogen untersuchen lassen. Super, da ich ja noch meinen grossen Rucksack mitführe. Wirklich genau sehen sie aber nicht nach und nach meiner Bemerkung, das Hunde wohl ein geeigneteres Mittel gegen Schmuggel wären lässt der zwei Kopf kleinere mit einer Maschinenpistole bewaffnete Rekrut von mir ab.
Weiter geht die Reise und das Geplauder meiner Sitznachbarin. Sie ist eigentlich nett, aber irgendwie lästig. Das Hundegemüffel dringt weiter wellenweise zu meiner Nase durch. Wie ich zugeben muss hat es immerhin nach zwei Wochen meines Aufenthalts in Kolumbien zum ersten Mal geregnet! Der Feuchtigkeit wegen wird wohl auch der Hund riechen. Irgendwann erschöpft sich zum Glück ihr Fragenkatalog und ich kann die Aussicht geniessen. Die Hügel und Kurven werden zahlreicher und das Grün rundherum nimmt stetig zu. Das Zuckerrohr weicht Plantagen aus Kaffee, Bananen und diversen anderen Bäumen. Vorsichtig (Hund!) atme ich tief durch um den geliebten Duft der Natur aufzusaugen. Dieser ist nach dem vorangegangenen Niederschlag noch intensiver.
Kurz vor dem Busbahnhof steigt meine Unterhalterin, Patricia wie ich erfahren musste, glücklicherweise aus. Ich solle sie doch anrufen damit wir ausgehen können meint sie und zeigt noch wo sie wohnt. Werde ich auf jeden Fall tun! Am Busbahnhof schreibe ich mir noch die Abfahrtsdaten nach San Augustin auf. Die Busfahrt soll tagsüber ungefährlich sein, also werde ich das am Montag wagen. Meine Unterkunft in Popayan ist sehr bescheiden, kostet aber auch nur sieben Franken pro Nacht. Mal sehen ob es durchs Dach regnet.

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Popayan, 17. Februar

Ich bin ja auch schon einiges herumgekommen, aber Heinz aus Deutschland schlägt jeden um Längen. Gestern bei Einbruch der Nacht will ich zurück zum Hotel als mich beim überqueren der Strasse beinahe ein vollbepacktes Fahrrad anrempelt. "Du bist sicher Ausländer" meint der Fahrer. Er will wissen wo man hier Geld wechseln kann. Diese Frage kann ich ihm nicht beantworten jedoch wo ich billig schlafe. Da er im Hotel sein Velo unterbringen kann bleibt er auch dort. Ich wechsle ihm zehn Euro gegen Peso ein, Dollar will ich keine. Bei im gegenüberliegenden Laden besorgten Bier bestellen wir Comida Corriente, das Tagesmenu welches ganze zwei Franken kostet. Seine 68 Jahre sind Heinz nicht anzusehen, sein Klappvelo hält ihn fit. Über fünfundvierzig Jahre ist er unterwegs rund um die Welt. Wenn irgendwo zu Hause, dann manchmal in Paris, wo er gratis ein Haus bewohnen kann. in Deutschland war er ewig nicht mehr. Seine Weltumrundungen finanziert er mit dem Verkauf von kleinen Reiseberichten und den Dias die er macht. Aber mit so wenig Zeitaufwand wie möglich, sonst bliebe ja keine Zeit mehr zum Fahrradfahren.
Heute Sonntag verbringe ich den ganzen Morgen im zentralen Park, nach Dauerregen in der Nacht tut die Sonne wohl. Schon skurril was sich so an Leuten hier aufhält. Die Schuhputzer, die alleinstehende Mutter welche selbstgemachtes Essen verkauft, der Mann der mit Sirup getränkte Eisraspel verkaut sind alltäglich. Ebenso die mit diversen Thermoskannen bepackten Kaffeverkäufer, die ihren 'Tinto' anbieten. Eigentlich zum Standard gehört auch der selbsternannte Parkplatzeinweiser. Dieser grossgewachsene hagere Mestitze macht es aber mit einer solch heuchlerischen Inbrunst, das mir vom Zusehen übel wird. Fährt ein Wagen zu oder weg, springt er hastig von der Parkbank auf um mit tuntenhaften Bewegungen die Fahrer einzuweisen. Sahnehäubchen ist das rote Tüchlein das er zur Betonung seiner Gesten mitschwingt. Mit untertänigem Gehabe versucht er bei Abfahrt der Autos noch einige Münzen mehr zu erhaschen. Sein treuer Begleiter ist ein alkoholisiert umherstaksender alter Schuhputzer dessen Kleidung vor Dreck steht.
Den Vogel im wahrsten Sinn des Wortes schiesst aber eine Anderer ab. Äusserlich keine besondere Erscheinung stolziert er mit den Händen in den Hüften vor der Kirche auf und ab. Geistig sich im Stadium des Westernhelden befindend zieht er immer wieder seine rechte Hand hoch um Feinde mit lautem Pffffffff, Pfffffff zu erledigen. Nichts ist vor ihm sicher. Mit zusammengekniffenen Augen schiesst er reihenweise auf Motorrädern vorbeireitende Indianer ab. Auch einige der nun eintreffenden Kirchgänger sind ihm suspekt und es gilt die Ungläubigen darunter mit Pfffff auszusortieren. Glücklicherweise sitze ich genügend weit weg, ich Gringo wäre sicher eine potentes Opfer!
Später taucht ein Einheimischer mit zwei Lamas auf und motivert die Kinder darauf zu reiten. Diese würden das gern tun nur fehlen den Eltern sicher die tausend Peso (50 Rappen) dafür und sie ziehen die Kinder von den seltsamen Tieren meist Weg. Auf das Ende der Messe haben alle Verkäufer nur gewartet. Ein lautstarkes Werberufen erfüllt die Plaza Mayor. Der Platzeinweiser scheint etwas verzweifelt da mehrer Autos gleichzeitig wegfahren, und er nicht überall Geld erschnorren kann. Hilflos rudert er mit dem Tuch rum und kriegt doch noch einige Münzen ab.

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San Augustin, 19. Februar

Die Abfahrt in Popayan klappt planmässig. Die Strasse windet sich immer höher die Berge hinauf. Ein Kontrollposten will noch die Ausweise der Einnheimischen sehen. Dahinter beginnt das ungeteerte Niemandsland. Ich schätze, dass wir uns bis auf zirka 2500 Meter hochwinden um dann eine Hochebene zu überqüren. Dies scheint das Hauptanbaugebiet der hiesigen Kartoffeln zu sein. Andere Feldfrüchte sind nicht auszumachen. Nartürlich muss die obligate Esspause eingelegt werden. Offenbar ist es in diesem Land nicht möglich sich für fünf Stunden Fahrt vorher ausreichend zu verpflegen. Nach der Hochebene geht es noch weiter in die Berge, wir durchfahren den Puracé Nationalpark. Schade das es schon den ganzen Weg regnet, die Aussicht soll sonst atemberaubend sein. Auf jeden Fall wenn der uns umgebende grüne Korridor den Blick freigibt. Die Letzte der sechstündigen Fahrt geht bergab. In San Augustin angekommen werden wir sogleich von Touragenten beharkt, ich habe aber andere Bedürfnisse als eine Tour zu buchen. Nur vage weiss ich wo sich die Finca befinden soll auf welcher ich bleiben will. Ein Mikrobus Richtung archeologischer Park weist mir beim Aussteigen den Weg. Den Anstieg von einem halben Kilometer schultere ich meine beiden Rucksäcke.
Meine reservierte Unterkunft ist zweistöckig. Unten befindet das Badezimmer, oben der Schalfraum mit Balkon. Für elf Franken eine passable Sache. Einzig die Hunde und der gleich nebenan ligende Hünerstall maChen mir Sorgen. Reni weiss wovon ich spreche, gewisse andauernde tierische Laute gehen mir Nachts ziemlich auf den Wecker. Mal sehen was passiert, sonst ziehe ich morgen aus. Nach zwei Wochen einheimischer Kost esse ich zu Nacht Spaghetti Napoli welche sogar al Dente sind. Währenddessen setzt ein heftiger Regen ein. Er lässt erst am Morgen nach. Trotzdem rauche ich in der Hängematte auf meinem Terrässchechen ein Zigarre und lausche dem mit Grillengezirpe und Vogelschreien durchmischten Trommeln des Regens. Vielleicht des Niederschlags wegen ist von den Hunden und dem Hahn relativ wenig zu hören. Ich bin durch das Reisen sicher abgehärtet aber auf jeden Fall dankbar dafür.

Am heutigen Neunzehnten mache ich mir zum Früstück Nescafe, esse dazu am Vortag gekaufte Bananen und Blätterteiggebäck. Rühreier reichen mir für den Moment. Danach breche ich zum archeologischen Park auf. Obwohl schon ein Munkeln bei den Einheimischen umgeht das der Präsident heute den Park besuchen will. Die unheimliche Militär- und Polizeipräsenz scheint das zu bestätigen. Tatsächlich werde ich auf einem Nebenweg zum Park abgefangen. quot;No hay Paso!" Da stehe ich nun, beginne aber mit der Polizei und den Anwesenden Sicherheitsleuten ein Gesprach über Sinn und Unsinn des Ganzen. Ich amüsiere mich trotz dieses Hindernisses und beschliesse nach Nachfrage bei Einheimischen die umliegenden Kultstätten zu Fuss aufzusuchen. Also stramm losmarschiert und öfters nachgefragt ob denn der Weg der richtige sei. So allein über Hügel und durch Täler nimmt man erst vieles richtig wahr. Genau so stellt man sich Kolumbien vor. überwältigendes und von oppulenten Düften bestätigtes Grün. Fincas sind über die Kuppen verstreut. Kaffepflanzungen allenthalben welche von gummistiefelbewehrten Campesinos bewirtschaftet werden. Nur die durch den Regen aufgeweichte rote Erde auf den Pfaden stört mein beschwingtes Gehen. Der halbe Liter Wasser ist bald aufgebraucht, und noch keine Steinskulptur in Sicht. Nach fünf Kilomertern gelange ich endlich an den "La Pelota" genannten Ort. Einige Turisten auf Pferden haben sich auch schon eingefunden. Gleich in der Nähe der zwei einfachen Stelen befindet sich eine weitere Stätte. Zu meiner Überraschung sind es die rot-schwarz bemalten Statuen. Eine hält ein Kind und ein Steinmesser, was eine Kindsopferung symbolisiert. Die andere umgreift ebenfalls ein Kind, aber in schützender Art vor dem Bauch. Einen anwesenden Führer frage ich nach weiteren Plätzen. Er zeigt mir auf einer Karte die um San Augustin exestierenden Orte.

Beschwingt vom Gedanken schon die einzig existierenden farbigen Statuen gesehen und die Hälfte des Weges hinter mir zu haben breche ich auf. Zwei Kilometer und einige Fotos weiter zweige ich gemäss Angaben links gegen das steile Tal des Rio Magdalena ab. Der durch unzählige Pferdehufe gepflügte Weg mach nicht wirklich Spass. Zudem muss ich den Selben zurück. Das spitz zulaufende in den Cañon greifende Ende des Vorsprungs fällt er zudem steil ab. Verständlich das die schon vor Ankunft der Spanier verschwunden Ureinwohner diesen Platz erkohren haben. Hoch über den tosenden Wassern, flankiert von Wasserfällen sind Personen und Tierfiguren die Felsen gemeisselt. Sicher mehr zweihundert Meter unter mir fliesst der Magdalena. Mit nun schon schweren Beinen 'rutsche' ich wieder den Zugang hoch. Entlang der Strasse zweige ich nochmals links ab um El Tablon zu sehen die fünf Steinstelen werden durch die Mittlere, am schönsten bearbeitete dominiert. Die Linke ist kaum noch zu erkennen, aber einiges interessanter. An den Pfotenartigen Händen und Füssen prangen gewaltige Klauen. Diese und einige der besehenen Stelen weisen Reisszäne auf. Den kurzen Anstieg hinauf zurück kann ich der Hauptstrasse folgend endlich Wasser kaufen. Die Strasse nach San Augustin weist Gefälle auf, was ich dankbar annehme.
Im Ort frage ich einen Polizisten ob der Präsident nun gekommen sei, Helikopter hätte ich auf jeden Fall gesehen. Es seien nur die Minister eingeflogen meint er. Der Chef sei krank und komme warscheinlich gar nicht. Hoffe ich doch auch, denn morgen will ich endlich den archeologischen Park sehen!

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San Augustin, 20. Februar

Gestern Abend hatte ich einen unterhalsamen Abend mit einem Ami der mit einer KTM unterwegs ist, einer Engländerin und einem Schweizer der leider kein Englisch spricht. So verständigten wir uns auf Spanisch was gutes Training und Vergnügen bot.
Heute ist es doch noch möglich den archeologischen Park zu sehen. Ein kleines Museum beim Eingang zeigt einen kurzen Abriss der Besiedlungsgeschichte. Der folgende Rundgang durch den angrenzenden Wald birgt ein wildes Sammelsurium von in der Umgebung gefundenen Steinfiguren, meist mit Tierköpfen ausgestattet. Das kurioseste Exponat ist eine Doppelfigur von zirka einem Meter Grösse. Ein Affe liegt über einem kauernden Mann. Ein Gedanke an Sodomie kommt da hoch, nur in umgekehrter Haltung dargestellt. Der Rest des eigentlichen Parks ist durch einen separaten Zugang zu betreten. Es sind originale Grabanlagen in Form von Hügeln. Darin ist die Anordnung immer die gleiche. Ein zentrale Hauptfigur wird von zwei Wächtern flankiert. Auf ihren Köpfen ruht eine Steinplatte. Hinter diesen Steinfiguren befindet sich etwas tiefer im Boden gelegen eine mit Steinplatten ausgekleidetet und zugedeckte Grabkammer. Einige zoomorphe Figuren stehen auf den verschiedenen Grabplätzen verstreut umher. Einzigartig ist die neben einem Bach aus dem Stein gearbeitete zeremonielle Badeanlage. Einige eckige Becken, unzählige Kanäle welche teilweise der Rissstruktur des Felsen folgen und wenig erhaltene Tierdarstellungen sind zu erkennen. Mittels Barrieren konnte das Wasser je nach kultischem Zweck in andere Verläufe gezwungen werden. Ehrlich gesagt haut dies alles mich nicht von den Füssen, ich habe sicher schon zuviel Anderes faszinierendes gesehen. Es sind aber die beinah einzigen in Kolumbien existierenden präkolumbianischen Stätten. Drei Stunden reichen um das Gelände zu durchstreifen. Das ist mir nach meinem gestrigen Fussmarsch auch egal.
Morgen will ich nach Tierradentro fahren, dort soll es noch einzigartig bemalte Grabkammern einer anderen untergangenen Kultur geben.

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Neiva, 23. Februar

Die Zivilisation hat mich wieder! Nach der Einsamkeit der Berge von Huila sitze ich nun in einem Internetlokal in Neiva. Die Gegensätze können grösser nicht sein. Hier Verkehr, haufenweise Mestizen und Hitze auf vierhundert Metern Höhe im flachen Land. Dort steile bepflanzte, zweitausend Meter hohe Berghünge, kleine Menschen mit indianischen Gesichtern und alle zwei Stunden ein Regenschaür aus der Daurbewölkung.
Bis auf eine unnötige stündige Warterei erreichen wir San Andres de Pisimbala nach mehrerem Umsteigen. Irgendwie klappen die Verbindungen immer. Ausser wenn der angekündigte Bus weil voll besetzt am Terminal vorbeirauscht. Hier unsere Transportmittelabfolge. Minivan, Mehrpersonentaxi, Mehrpersonentaxi, Taxi, Pickup. In San Andres angekommen prüfen Iwan und ich erst die Güte der einfachen Unterkünfte. Die Unterschiede sind minimal, also bleiben wir in jenem mit kleinem Restaurant. Iwan ist mein kurzzeitiger Weggefährte seit San Augustin. Um sieben Uhr Abends nach unserem Mahl folgt ein Stromausfall, das gehört in diesem abgelegenen Hochtal zur Tagesordnung. Also noch ein wenig bei Kerzenlicht lesen und dann um 20.30 Uhr Lichter löschen.
Nach elf Stunden Schlaf und der Einahme des obligaten Frühstücks bestehend aus Rührei mit zwiebeln und Tomaten schlendern wir bergab zum Ortsmuseum. Der Grund unserer Anwesenheit in dieser gottverlassenen Gegend sind einzigartige, in den weichen Fels geschlagene Gräber welche teilweise bemalt sind. Die mehrere Meter unter der Oberfläche liegenden, über beinahe senkrecht Wendeltreppen zugänglichen Gräber sind auf exponierten Stellen an den Berghängen verteilt. Das Museum soll uns einen ersten Gesamteindruck vermitteln. Den einzigen Eindruck, den wir jedoch erhalten ist jener, dass in den Fensterlosen Räumen auch mit Hilfe der Taschenlampen nicht viel zu erkennen ist. Im Vertrauen auf baldige Behebung des Vesorgungsproblems steigen wir zwanzig Minuten steil eine Bergflanke hinauf. Leider ist immer noch kein Strom vorhanden als wir auf der ersten Kuppe aufkreuzen. Die Wache öffnet uns die Türen zu den einzelnen überdachten Abstiegen in die Grabkammern. Wir sind enttäuscht über das fehlende Licht. Gerade diese Nekropole beherbergt die am schönsten mit roten und schwarzen geometrischen Mustern geschmückten Wände und Säulen. Wegen fehlender Ausleuchtung benütze ich trotz Verbots das Blitzlicht meiner Kamera. Die Wache scheint bewusst wegzuschaün. Mit unseren Taschenlampen ist nicht viel zu sehen. Erst im Display der Digitalkamera realisiere ich die primitive Pracht. Uns folgt eine Horde von Schülern und so brechen wir zur nächsten Stätte auf. Die wenigen Gräher gelegenen Anlage beindruckend. Nach einem weiteren Anstieg marschieren wir Richtung Dorf wo vorgelagert einige einfache Steinstatuen begutachtet werden können.

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Irgendwie haben wir die Abzweigung verpasst, wir stehen unvermittelt im Dorf. Bei der dreihundertjৠhrigen, mit Stroh gedeckten Kirche wird ein Pferd beschlagen. Aber nicht wie bei uns üblich im Stehen ein Huf dem anderen folgend, sondern mit Stricken gefesselt auf der Seite liegend. Deshalb meinen wir erst, es würde geschlachtet. Wir kaufen in einem Laden etwas Essen und beobachten die Szene. Da es ein Uhr ist, ist Schule aus und es ergiesst sich ein für diese Gegend erstaunlicher Strom von Schülern auf die Strasse. Die Geburtenrate muss unglaublich hoch sein. Ausser den Schülern trägt in der Gegend jedermann Gummistiefel. Wahrscheinlich werden diese den Kindern noch vor den ersten Windeln angezogen. Nachdem wir ausgeruht sind will Iwan einen Wasserfall aufsuchen. Ich gehe den Weg zu den verpassten Statuen zurück. Die zehn aus der Gegend zusammengetragenen Figuren sind einfacher Art und verschiedener Grösse. Bescheidener als jene in San Augustin gefertigt. Ich unterhalte mich mit der Wache über die fehlende Präsenz von Militär und Polizei. Immerhin soll es hier die Guerilla gegeben haben. Diese Gegend sei frei von der FARC und Kriminalität meint die Parkwache. Die Autonome Indianerverwaltung habe allen klargemacht dass sie weder Guerilla noch Gewalt toleriere. Kriminalität sei unter der indigenen Bevölkerung kein Problem.
Der Abstieg zum Museum und meiner Unterkunft in deren Nähe ist in fünfzehn Minuten erledigt. Hoffnungsvoll betrete ich nochmals das kleine Museum. Siehe da, die Räume sind erhellt und erlauben nun alles genau zu studieren. Ich habe Hunger bekommen, muss aber noch zwei Stunden auf unser am Vortag bestelltes Menue warten. Um sechs Uhr Abend sitzen Iwan und ich erwartungsfroh am Tisch. Wie abgesprochen werden Kartoffeln, Gemüse und Hänchen aufgetischt. Nur war von Reis keine Rede, aber von mehr Kartoffeln. Es gibt trozdem welchen. Vielleicht ist ein Teil der Denkfähigkeit der Köchin mit dem Dauerregen fortgespühlt worden. Es schmeckt uns aber auch mit Reis. Am nächsten Morgen trennen sich unsere Wege. Iwan fährt nach Popayan, ich nach Neiva. Endlich um halb neun quetsche ich meinen Hintern auf den harten Sitzbank eines Camioneta genannten, überdachten Pickups. Adios wolkenverhangene Hänge, adios San Andres! Die einem reissenden Flusslauf folgende Rumpelpiste wird zur Bewährungsprobe. Erstens des knappen Platzes wegen, zweitens wegen meinem Nachbarn welcher sich auf mir ausruhen will. Druck erzeugt Gegendruck und ich bin im Vorteil weil er in Fahrtrichtung sitzt. So nütze ich jedes Bremsmanöver um mir Luft zu verschaffen. Eineinhalb Stunden später habe ich gerade noch Zeit um mich zu erleichtern bevor die Fahrt im luxuriösen Minivan weitergeht. Um ein Uhr Mittags tauche ich wieder in den Stadtrummel von Neiva ein.
Morgen will ich vom nahen Villavieja aus in die Tatacoawüste um den Regen der letzten Tage zu vergessen!

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Santafe de Bogota, 25. Februar

In Villavieja ist es tatsächlich heiss. Da am Sonntag nicht viel Reiselust herrscht, sitze ich erst einmal von acht Uhr an eineinhalb Stunden am Busbahnhof. Endlich sind die geforderten fünf Personen aufgekreuzt und das Colectivo (Kleinbus) setzt sich in Bewegung. Unterwegs überholen wir einen mit weissen Fahnen geschmückten Trupp Motorradfahrer. Bei einer Flusspassage rumpelt es und ein Knäuel Leute und Motorräder liegt im Wasser. Glücklicherweise trägt niemand ernste Blessuren davon.
Kurze dreiviertelstunden später beziehe ich ein Zimmer in einem 450 Jahre alten Haus. Leider ist es zu spät für einen ausgiebigen Besuch der Wüste. Dafür findet auf dem Dorfplatz ein kleines Fest mit Ansprachen und verschiedenen Aufführungen statt. Bei Einbruch der Dunkelheit setze ich mich mit einer Zigarre an einen Tisch an der Plaza. Ich bin nicht lange allein. Erst setzt sich ein Einheimischer dazu, dann noch zwei. Jeder will eine Runde offerieren. Nach einigen Bier wird die Stimmung ausgelassen und einer zieht eine Pistole aus dem Hosenbund. Zu meiner Erleichterung ist sie aus Ton, und der Lauf imitiert einen Penis. Beim fünften Bier verabschiede ich mich trotz Wiederspruch. Mein Wecker ist bereits auf sechs Uhr früh gestellt um zeitig vor der Hitze in der Tatacoawüste zu sein.
Erstaunlicherweise ist das dreirädrige Mototaxi schon vor halb sieben anwesend. So etwas gibt es selten in Kolumbien! Anstelle der erwarteten Hitze bei schönem Wetter ist der Himmel wolkenverhangen und gewitterschwanger. Dies sind offensichtlich die wenigen Tage im Jahr in denen es hier regnet. Deshalb ist die Gegend grüner als sonst, und die Kakteen beginnen zu blühen. Als ich die Blüte einer keinen Kakteenart ablichte zeigt mir mein Führer, dass man die leuchtendroten Schoten essen kann. Die wie kleine Chili scheinenden Samenkapseln schmecken ähnlich einer Kiwi. Am Ende der fünfzehn Kilometer Weg könnte man noch in einer natürlichen Quelle baden. Ich verzichte darauf. Die kleine Wüste mag für kolumbianische Verhältnisse spannend sein, aber mich begeistert sie nicht sonderlich. Schon um neun sind wir zurück. Ich bezahle mein Zimmer, packe meine Sachen und begebe mich zum Boot welches mich über den Fluss nach Aipe bringt. Einen kurzen schlammigen Fussmarsch später durchquere ich den Ort Richtung Hauptstrasse um einen Überlandbus anzuhalten. Dies ist nicht nötig, weil eben gerade in diesem Moment ein Bus vom Dorfplatz abgefahren ist und ich aufspringen kann.
Sechs Stunden später bin ich im Zentrum von Bogota. Allerdings dauerte es allein eineinhalb Stunden vom Stadtrand hierhin. Dies ist wahrlich ein Moloch von Metropole. Kaum vorstellbar, dass der Verkehr vor zehn Jahren noch schlimmer gewesen sein soll. In Mexiko Stadt herrscht dagegen Provinzverkehr. Nach unzähligen billigen Unterkünften leiste ich mir den Luxus eines Zimmers für 35 Franken. Die letzten zwei Tage meiner Ferien gehören dem Besuch der Sehenswürdigkeiten der Stadt, vor allem dem Goldmuseum welches einzigartig sein soll.

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Santafe de Bogota, 27. Februar

Da die meisten Museen Dienstags geschlossen haben, wollte ich das Ungetüm namens Bogota einmal von oben sehen. Die Talstationen der Standseil- und der Seilbahn sind einen kurzen Fussmarsch vom Zentrum entfernt. Ich gehe auf dem zubetonierten Lauf des Rio San Franzisco der heute exlusiv dem Transmillenio dient. Dies ist in Mangel einer Metro ein vor zehn Jahren erstelltes Busnetz auf eigener Fahrbahn.
Unter der Woche verkehrt nur die Standseilbahn, aber dafür regelmässig. Die rund fünfhundert Meter Höhenunterschied sind in wenigen Minuten überwunden und ich stehe auf 3160 Metern Höhe auf dem Montserrate genannten Berg. Auf etwa der selben Höhe liegt auch die Dunstglocke über der Stadt. Der Smog ist deutlich zu riechen. Auf dem Vorsprung wo der beste Ausblick möglich wäre versperren leider allerlei Sendeanlagen den Zugang. So kann ich die kompletten Ausmasse der Metropole nicht in Teilen ablichten um die Bilder spüter aneinander zu fügen. Immer wieder laufen sportlich bekleidete Leute keuchend auf den Vorplatz der Kirche ein. Wahrlich eine Leistung, bei der Steilheit des Geländes. Mehr Respekt zolle ich aber dem Mut dies unter einer solchen Abgasbelastung zu tun! Die langen, im Zickzack verlaufenden Abschrankungen in der Bergstation lassen erahnen was hier am Wochenende los ist. Jetzt fahren wir lediglich zu fünft wieder hinunter. Im Hotel studiere ich wie ich den Nachmittag totschlagen könnte. Das Polizeimuseum ist offen, und und enthält einiges was die Drogenkartelle vom Medellin und Cali betrifft. Auf zu Pablo Escobar!
Im Polizeimuseum werde ich in einen Warteraum gebeten wo bereits zwei einheimische Studentinnen auf den Führer warten. Wir bejahen die Frage nach Zeit für eine ausgedehnte Führung. Der Rundgang beginnt bei dem französischen Gründervater der koplumbianischen Polizei im Jahre 1891. Teilweise scheint es, dass die Räume mit Dingen gefüllt werden mussten. Da stehen Sachen wie die erste Kamera die sie besassen, den ersten Computer, das erste Tonbandgerät und so weiter. Immer wieder wird die Besichtigeung durch die Befelsbestätigung der Rekruten unterbrochen welche heute vereidigt werden und ebenfalls das reichaltige Sammelsurium präsentiert bekommen. Unser auch englisch sprechender Führer nimmt sich ausgiebig Zeit. Sicher mehr der beiden Studentinnen wegen als mir zuliebe. Immer wieder fallen schlüpfrige Bemerkungen seinerseits. Natärlich nur im Zusammenhang mit den Exponaten. Die Schau zum Fall Escobar ist amüsant aufgemacht, vor allem die billig gemachten Puppen Escobars. Prunkstück ist die Goldverzierte Harley seines Schwagers. Ausdrücklich weist unser Begleiter darauf hin, dass es nicht um Escobars Heldentaten, sondern um ihrer eigenen ginge. Fotos von Pablos Waffen zu schiessen sind verboten. Der Grund ist nicht nachzuvollziehen. Ebenso in der Waffenausstellung muss meine Kamera im Sack bleiben. Bei so viel Hightech aus mehreren Jahrhunderten könnten die Schweizer Waffenschmieden sicher noch was abkupfern!

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Ein starker Regenfall verzögert unseren Abschied. Während unser Guia mit den Studentinnen schäkert schaue ich bei der Verabschiedung der Rekruten zu. Jeder erhält vom dienstältesten kolumbianischen Polizisten noch ein Bonbon. Unser Führer geht in drei Jahren in seinen wohlverdienten Ruhestand. Im Alter von immerhin siebenunddreissig Jahren nach endlosen zwanzig Jahren Dienst mit Pension bis ans Lebensende. Einzig die Totentafel an der Wand erinnert mich daran dass auch kurze zwanzig Jahre Polizeidienst erst überlebt werden müssen. Als Führer im Museum ist das sicher einfacher.
Heute kann ich endlich das Goldmuseum sehen. Zu jedem Volkstamm werden einige Stücke gezeigt. Die goldenen Nasenringe, Ohrringe, Stockenden in Form von Tieren und Brustplatten waren als Kultgegenstände natürlich der Elite vorbehalten. Ich lasse mir ausreichend Zeit die feine Ausarbeitung der Exponate zu studieren während Stdentengruppen im Minutentakt vorbeieilen und die Führerinnen hinterherlaufen. Bei ihnen scheint kein grosses Interesse am eigenen Kulturgut vorhanden zu sein. Eigentlich unverständlich da der Mehrzahl die indigene Abstammung ins Gesicht oder den gedrungen Körperbau geschrieben steht. Gleich anschliessend befindet sich das numismatische Museum der Bank von Bogota. Detailliert wird die Enstehung der heutigen Währung seit Entdeckung des Kontinents geschildert. Hunderte Münzen zu jeder Epoche erläutern das Ganze. Beim Anblick der Goldmünzen frage ich mich was für ein Schmuckgegenstand der Ureinwohner dafür eingeschmolzen worden sein könnte. Wieder einmal überkommt mich eine Wut über soviel koloniale Habgier und Zerstörung fremder Kultur. Die Prägemaschinen im Erdgeschoss darf ich selbstverstündlich nicht fotografieren. Stammt die neuste doch aus dem Jahre 1923. Damit liessen sich noch heute Münzen prägen, wie der der kompetente Aufpasser meint. Sicher bricht hier jemand ein und stempelt nachts unbemerkt laut rumpelnd tausende Zwanzigrappenstücke. Wie zum Beweis nimmt der zufüllig anwesende Direktor für eine auszubildende Führerin das erwähnte moderne Gerät in Betrieb. Er prägt einige Blechscheiben. Als ich eine ansehen will greift die Kompetenz wieder ein, diesmal aber wird er vom Direktor ausgehebelt. Die Führerin schenkt mir eine mit dem Museumslogo geprägte Münze. Das unverhoffte Geschenk ist doch mal ein spezielles Andenken im Gegensatz zu dem was sich in den Kunsthandwerksläden findet. Bevor ich mich nach dem verlassen der Anlage daran schicke meine Email abzufragen geniesse ich noch einen doppelten Espresso gegenüber des Ausgangs.

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Santafe de Bogota, 28. Februar

Der Countdown läuft. Die letzten Stunden in Kolumbien werde ich noch durch die Läden mit "Kunsthandwerk" streifen. Mal sehen ob sich da was Gescheites findet. Ich konnte bis anhin vielfach nur Krempel aus Massenproduktion ausmachen. Aber einen Lichtblick gibt es immer.
Sollte ich nicht unter Verdacht des Drogenschmuggels geraten, lange Haare bei einem Mann sind immer suspekt, werde ich hoffentlich planmässig heute Abend um halb Sieben Ortszeit per Flugzeug von der Hochebene abheben. Mit Unterstützung der Götter der Aeronautik müsste ich morgen Freitag um 14.35 Uhr in Zürich dann wieder festen Boden unter die Füsse kriegen.

Fazit

Es hat sich wieder einmal bestätigt. Nur was man selbst gesehen, gefühlt und durchlebt hat, kann man auch beurteilen. Bilder von Geiseln der Farc, mordende Paramilitärs und omniprüsente Drogenmafia. Alles mag vorhanden sein, ist aber auf den mehr oder weniger besser erschlossenen Pfaden nur die durch ein deutliches Aufgebot von Polizei und Militär wiedergegeben. Lässt man normale Vorsicht walten und fragt bei den Einheimischen nach Gefahrenherden, wird man kaum damit konfrontiert.
Hohe Berge, üppiges Grün, Einsame Gegenden unweit von modernen Millionenstädtenund diverse Kulturformen mit ihren Gegensätzen und dem gemeinsamen Verlangen der Gewalt der Guerrilla ein Ende zu setzen, dem begegnet man immer wieder.
Kaum ein Land birgt für mich bisher so viele Gegensätze wie Kolumbien. Dritte Welt in ländlicher Armut und Gegenden auf dem Sprung zum Stand der ersten Welt. Einsame Bergregionen neben karibischem Strandfeeling. Menschen mit dem Willen zur freien Entwicklung gefangen im Korsett von Gewalt und Korruption. Bestätigt hat sich meine Meinung, dass ein kleiner Prozentsatz von schlechten Menschen mit Hilfe unserer Medien das Bild eines Staates so in Schräglage rücken kann, was das warmherzige und freundliche kolumbianische Volk definitiv nicht verdient hat!